Das Polnische Fremdenverkehrsamt erreichte in diesem Jahr bei der Wahl zum “Verkehrsbüro des Jahres” durch Reisejournalisten und -blogger den neunten Platz. Das ist ein Aufstieg um 5 Plätze nach Platz 14 im Vorjahr. Gute Nachrichten für den polnischen Tourismus. Das bereits vorgesehene Interview mit dem Polnischen Fremdenverkehrsamt passt da wie die Faust aufs Auge.
Im Oktober 2017 sprachen wir mit Pawel Lewandowski, dem Leiter des Polnischen Fremdenverkehrsamtes in Deutschland. Sein Nachfolger ist Konrad Guldon, ein ausgewiesener Experte im Tourismus. Wir freuen uns sehr, dass wir mit Herrn Guldon über den Tourismus in Polen sprechen konnten. Spannende Einblicke und interessantes neues Wissen steckt darin. Aber: Lesen Sie selbst!
Herr Guldon, schön, dass wir heute über den Tourismus in Polen sprechen. Sie sind Leiter des Polnischen Fremdenverkehrsamtes in Deutschland. Ihre Aufgabe ist es, in Deutschland für das Urlaubsland Polen zu werben. Können Sie uns vielleicht ein wenig über die Zahlen verraten: Wie haben sich die Besucherzahlen von Deutschen in Polen in den letzten Jahren entwickelt?
Wir erlebten in den vergangenen zehn Jahren eine stetige Steigerung bei der Zahl der ausländischen Gäste. Zählten wir 2014 rund 16,4 Millionen ausländische Touristen, so erwarten wir für 2019 mit rund 21 Millionen einen neuen Allzeitrekord.
Deutschland war und ist mit großem Abstand unser wichtigster Auslandsmarkt. 2014 hatten wir rund 5,7 Millionen Gäste aus dem Nachbarland, 2019 waren es nach den bisherigen Schätzungen rund 7 Millionen. Auch das ist ein Allzeit-Rekord. Schon seit einigen Jahren gehört Polen zu den Top-Ten der beliebtesten Auslandsziele in Deutschland.
Der Erfolg hat viele Ursachen. Ein wichtiger Grund ist, dass sich unsere gesamte Infrastruktur von den Hotels über Straßen und Flughäfen bis zu Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen enorm entwickelt hat. Aber es zeigen sich auch die Früchte unserer Marketingarbeit – und nicht zuletzt verdanken wir den Erfolg auch vielen engagierten Partnern aus der Reisebranche.
Und wo wir gerade über die Entwicklung sprechen: Welche Regionen boomen den Zahlen nach, welche sind im Kommen und welche haben Probleme?
Die deutschen Gäste schätzen die traditionellen Feriengebiete, vor allem die Ostseeküste, die Berge und Masuren. Unsere großen Städte wie Warszawa, Kraków oder Wrocław ziehen neben Deutschen auch immer mehr Besucher aus anderen Teilen der Welt an, darunter sehr viele junge Leute.Wir erleben aber bei den deutschen Gästen auch ein wachsendes Interesse an weniger bekannten Regionen. Wer schon einmal die Ostsee oder Masuren besuchte und begeistert war, lässt sich auch darauf ein, unbekanntere Regionen wie die Vorkarpatenregion oder das Lubliner Land für sich zu entdecken. Auch dort hat sich die touristische Infrastruktur gut entwickelt und man findet eine große Auswahl guter Hotels und Restaurants.
Lässt sich sagen, welche Art des Tourismus besonders wächst? Sind es individuelle Reisen mit dem Auto? Oder der Bahn? Oder Gruppenreisen in die polnischen Städte? Sind es Erholungsreisen wie Kuren und Wellness oder spielen historische Anlässe noch eine wichtige Rollen für Reisen nach Polen?
Generell profitiert Polen davon, dass immer mehr deutsche Gäste aus Umweltgründen auf lange Flugreisen verzichten und lieber ihren Urlaub in der näheren Umgebung verbringen möchten.
Sehr viele Touristen sind individuell mit dem eigenen Auto unterwegs. Ich würde mir bessere Bahnverbindungen zwischen Deutschland und Polen wünschen. Der enorme Erfolg des Kulturzugs zwischen Berlin und Wrocław hat gezeigt, dass attraktive Bahnverbindungen auch angenommen werden. Auch der Berlin-Warszawa-Express wird sehr intensiv genutzt. Immerhin verbessert sich langsam das Angebot bei grenzüberschreitenden Verbindungen und in Polen wird sehr viel unternommen, um Bahnreisen schneller und komfortabler zu machen.
Trotz des Trends zu individuellen Reisen sind aber auch die Gruppenreise für Polen sehr wichtig. Wir freuen uns sehr, dass Polen sowohl das beliebteste ausländische Reiseziel für deutsche Bustouristen als auch für Kurreisende ist. Viele Kureinrichtungen an der Ostsee oder in Niederschlesien haben sich auf diese Gruppe eingestellt und bieten eine Service in deutscher Sprache.
Daneben profitieren wir vom Trend zu Wellnessreisen. Für traditionelle Kurorte wie Świnoujście oder Kołobrzeg wird dieses Segment immer wichtiger. So wurden in beiden Städten in den vergangenen Jahren mehr als ein Dutzend neue Wellnesshotels der 4- und 5-Sterne-Kategorie eröffnet.
Polen präsentiert sich auf den Tourismus-Messen in Deutschland, aber was wird noch getan: Gibt es Werbekampagnen oder andere Maßnahmen, um Polen attraktiver und bekannter zu machen? Was wird man 2020 von Polen in Deutschland sehen?
Wir nutzen sehr intensiv das Internet, um Polen zu präsentieren. Auf unserer Website www.polen.travel finden Interessierte umfangreiche Informationen über das Reiseziel Polen. Auf unserem Facebook-Account www.facebook.com/polen.travel zeigen wir Überraschendes aus Polen, verraten Geheimtipps, stellen tolle Locations vor und tauschen Erfahrungen aus.
Einen wichtigen Stellenwert hat die Pressearbeit. Wir laden jedes Jahr rund 100 deutsche Journalisten und Influencer ein, die über unser Land in den unterschiedlichsten Medien berichten. Das hilft uns sehr bei der Vermarktung unserer Destination.
In diesem Jahr erinnert Polen mit vielen Veranstaltungen an Johannes Paul II., der am 18. Mai 100 Jahre alt geworden wäre. Wir erwarten zahlreiche ausländische Gäste, die in Kraków oder seiner Geburtsstadt Wadowice auf den Spuren des polnischen Papstes wandeln.
2020 ist aber auch ein musikalisches Jahr. Wir feiern Fryderyk Chopin, der in diesem Jahr seinen 210. Geburtstag begehen würde. Aber es gibt auch in vielen Städten Konzerte und Festivals zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven.
In Deutschland ist die Medienberichterstattung zur Politik in Polen oft sehr kritisch. Merkt der Tourismus etwas davon und wie kann man damit umgehen?
Wir hatten anfangs schon über die touristische Entwicklung gesprochen. Die Zahl der Touristen ist in den vergangenen Jahren sehr konstant nach oben gegangen. Es ist also nicht zu erkennen, dass sich die Medienberichterstattung hier negativ auswirkt.
Wie in vielen anderen Ländern Europas gibt es auch in Polen keine homogene Gesellschaft. Für einen Teil der Menschen haben traditionelle Werte noch einen hohen Stellenwert, andere sind sehr kosmopolitisch. Die Vielfalt an Einstellungen und Lebensstilen mag manche überraschen, die mit Klischees nach Polen reisen. Aber sie macht auch einen Reiz des Landes aus.
Deutschland ist ein wichtiger Tourismuspartner für Polen. Wird Deutschland aus Ihrer Sicht so wichtig bleiben, oder gibt es Länder, die für Polen stark an Relevanz zulegen?
Wir hatten in den letzten Jahren sehr starke Zuwächse aus den Ländern des fernen Ostens, was auch mit neuen Flugverbindungen dorthin zusammenhängt. Auch aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Israel, verzeichnen wir sehr starke Zuwächse. Aber ich gehe davon aus, dass Deutschland auch weiterhin mit großem Abstand an der Spitze der ausländischen Quellmärkte bleiben wird.
Kommen wir noch einmal zurück zu den Regionen: Einige touristische Regionen in Polen, vor allem die Ostseeküste, hat in Sachen Tourismusangebot stark aufgerüstet. Viele neue Hotels und Apartments sind im Angebot. Muss man sich allmählich sorgen, ob es zu viel wird? Ob der Preisdruck, die Konkurrenz und auch die Touristendichte zu eng werden?
Sie haben recht, dass das Angebot an Unterkünften insbesondere an der Ostseeküste in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen ist. Da aber auch die Zahl der in- und ausländischen Touristen stark gestiegen ist, hat das bisher noch nicht zu negativen Folgen für die Branche geführt. In manchen Regionen werden die Kapazitätsgrenzen langsam erreicht, denn wir müssen auch sehen, dass das Arbeitskräfte-Potenzial begrenzt ist und es für manche Hotels zunehmend schwieriger wird, geeignetes Personal zu finden.
Wir als Incoming-Agentur hinterfragen immer wieder unsere Rolle und unsere Aufgabe. Was können wir tun, um das Bild von Polen als Urlaubsland richtig darzustellen, natürlich auch, um unser Geschäft aktiv zu halten. Aber auch intrinsisch motiviert. Wie schätzen Sie die Bedeutung von Incoming-Agenturen ein, halten Sie diese für fördernswert oder sind vielleicht andere Modelle aus Ihrer Sicht die Zukunft. Da freuen wir uns auf eine ganz ehrliche Meinung, denn auch wir wollen uns natürlich beweglich und flexibel halten.
Trotz Internet und zunehmender Individualisierung bleiben Gruppenreisen für Polen ein wichtiges Segment. Hier sind wir auf die Arbeit der Incoming-Büros und der Reiseveranstalter angewiesen.
Ich denke, die Branche zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr flexibel ist, auf neue Bedürfnisse reagieren und neue Angebote gut vermarkten kann. Die Reisenden sind anspruchsvoller geworden, ihre Wünsche und Interessen sind vielfältiger als früher. Das hat die Reisebranche ganz überwiegend auch verstanden. Es gibt Reisen für Feinschmecker, bei denen man die besten Restaurants des Landes und die Vielfalt der modernen polnischen Küche erlebt. Es gibt die vielfältigsten Programme für aktive Touristen, die zu Fuß, per Rad oder Boot Polen entdecken wollen. Es gibt Touren mit Locals, die ihre Stadt so zeigen, wie sie wirklich ist.
Polen ist ein sehr vielseitiges und spannendes Reiseland, das bietet jede Menge Chancen für Incoming-Büros und Veranstalter, die mit neuen und kreativen Angeboten Reisende überzeugen wollen. Wir als Polnische Tourismusorganisation sind gerne bereit, die Branche dabei zu unterstützen.
Was uns natürlich auch noch interessiert: Was sind ihre persönlichen Lieblingsorte in Polen?
Ich wäre kein guter Lokalpatriot, wenn ich hier nicht meine Heimatstadt Szczecin nennen würde. Es ist eine Stadt, die vom Wasser und durch sehr viel Grün geprägt ist und eine hohe Lebensqualität hat. An der Oderpromenade, auf den Oderinseln und in der wiederaufgebauten Altstadt sind in den letzten Jahren viele neue Angebote zum Ausgehen, für Sport, Freizeit und Kultur entstanden. Das begeistert auch die Besucher der Stadt. Aber ich mag auch andere polnische Großstädte sehr, zum Beispiel Warszawa oder Wrocław.
Und natürlich interessiert uns auch: Haben Sie selbst schon Gruppenreisen unternommen? Und wenn ja: Haben Sie spontan Orte in Polen im Kopf, die sich für Gruppenreisen eignen und die noch weniger bekannt sind? Unsere Kollegen sind da immer sehr neugierig, weil es oft solche Orte gibt, die sich auch über Gruppenbesucher freuen – die aber weniger bekannt sind.
Meine Arbeit bringt es mit sich, dass ich gelegentlich in größeren Gruppen unterwegs bin und dabei immer wieder Neues entdecken kann. Kürzlich war ich zum ersten Mal im neuen Museum des polnischen Wodkas in Warszawa. Das könnte auch ein spannender Programmpunkt bei einer Gruppenreise sein, weil man hier nicht nur viel über die Geschichte des polnischen Wodkas erfahren, sondern ihn auch in schöner Atmosphäre probieren kann.
Ein Geheimtipp ist immer noch die Vorkarpatenregion. Hier haben Sie Rzeszów mit seiner schönen und lebendigen Altstadt, die faszinierende Schloss- und Parkanlage von Łańcut, viele historische Holzkirchen, von denen einige zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören, und natürlich den Bieszczady-Nationalpark mit seiner reichen Natur- und Tierwelt.
Die Region hat viel Überraschendes zu bieten. Wussten Sie zum Beispiel, dass es bei Krosno die erste Erdölförderstelle der Welt gab? Ein Museum erinnert dort heute an die Geschichte.
Oder dass vor vielen Jahrhunderten dort ein traditionelles Weinbaugebiet war? Heute knüpfen junge Winzer an die Tradition an und produzieren wieder hervorragende Weine.
Auch der Dunajec-Fluss ist vielen Deutschen noch nicht bekannt. Dabei ist eine Floßfahrt durch das enge Durchbruchtal ein einzigartiges Erlebnis. Es gibt dort sehr schöne Rad- und Wanderrouten und im Kurort Szczawnica auch ein hervorragendes Übernachtungsangebot.
Herzlichen Dank für das Gespräch. Wir sind gespannt auf die weiteren Entwicklungen im Tourismus und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.
Wenn Sie als meine Leser eine spannende Gruppenreise nach Polen organisieren möchten, kontaktieren Sie gerne mein Team und mich. Wir liefern Ihnen gerne weitere Informationen oder machen Ihnen passgenaue Reiseangebote.