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Warschauer Nozyk Synagoge (© Jacques Lahitte)
Warschauer Nozyk Synagoge (© Jacques Lahitte)

Reisebaustein: Jüdische Spuren in Polen

Heute möchte ich Ihnen einige Reisebausteine zum Thema „Reisebaustein: Jüdische Spuren in Polen“ vorstellen. Ich werde einige historische Fakten voranstellen, um deutlich zu machen, welche Wunden der Holocaust in die Kultur des Landes gerissen hat. Anschließend stelle ich Ihnen Orte vor, an denen die „Jüdischen Spuren in Polen“ erfahren werden können. Sicher ist dies auf Reisen kein einfaches Thema. Aber die Erfahrung zeigt, dass es wichtig ist, es zu behandeln – und dass viele Reisende sogar bewusst danach suchen.

Bei Fragen zum Thema oder zu den Reiseorten, wenden Sie sich gerne an mich oder mein Team.

Einige historische Fakten zum Judentum in Polen

Schon vor mehr als tausend Jahren haben europäische Juden in Polen eine religiöse Toleranz vorgefunden, die auf dem Kontinent ihresgleichen suchte. Gesetzlich geordnet wurden die Rechte der Juden erstmals 1264 im Statut von Kalisz. Es wurde von König Kasimir dem Großen 1334 bestätigt und erweitert.

Polen wurde so schnell zum europäischen Land mit den größten jüdischen Gemeinden. Erst im 17. Jahrhundert wurden dieser Toleranz in Zeiten der Gegenreformation und des 30jährigen Kriegs Grenzen gesetzt. Erstmals verschlechterte sich zu diesem Zeitpunkt die Lage der jüdischen Gemeinden.

Nach den drei Teilungen Polens 1772 – 1795 wurden die polnischen Juden Untertanen der Teilungsmächte. Damit galten für sie die in Preußen, Habsburg und Russland geltenden Einschränkungen. Diskriminierungen und Progrome nahmen vor allem im Zarenreich zu.

Polen erlangte erst 1918 nach dem Ende des Ersten Weltkriegs als Staat seine Unabhängigkeit wieder. Zur neu erstandenen Republik Polen gehörten nun mehr als drei Millionen Juden. Seit 1921 gewährte die Verfassung Juden gleiche Bürgerrechte und religiöse Toleranz. Vor Kriegsbeginn 1939 zählte man 3.474.000 Juden im damals multiethnischen Polen, in dem jeder dritte Bürger kein ethnischer Pole war. Damit war Polen das europäische Land mit der größten jüdischen Bevölkerungsgruppe Europas. Die Juden stellten 10% der Gesamtbevölkerung und damit nach den Ukrainern die zweitgrößte Minderheit.

Rund 90% dieser jüdischen Bevölkerung Polens wurde von den nationalsozialistischen Besatzern ermordet. So bedeutete der Zweite Weltkrieg mit dem Holocaust die fast komplette Vernichtung der jüdischen Gemeinden und ihrer Strukturen und der jüdischen Kultur.

Einen weiteren großen Verlust bedeutete die Auswanderungswelle der meisten noch in Polen lebenden Juden im sozialistischen Polen. Gründe waren antisemitische Ausschreitungen und die Parteikampagne 1968. Die Zahl bei jüdischen Gemeinden gemeldeter den Glauben praktizierender Juden dürfte derzeit etwa bei 12.000-15.000 liegen. Die Zahlen inklusive der nicht religiös engagierten Juden dürfte ein Mehrfaches betragen.

Lassen Sie uns nun einen Blick auf lohnende Reisebausteine werfen, die ihre Busreisenden auf „Jüdische Spuren in Polen“ führen.

Das jüdische Warschau

Vor dem Zweiten Weltkrieg war jeder dritte Warschauer Jude. Damit lebte er in der größten jüdischen Gemeinde Europas und der zweitgrößten der Welt.

Warschau Museum Polin (© Adrian Grycuk)
Warschau Museum Polin (© Adrian Grycuk)

Beginnen wir also in Warschau. Hier ist am besten eine deutschsprachige Führung durch Polin, das Museum zur tausendjährigen Geschichte der Juden in Polen, geeignet. Mein brylla-Team findet mit Ihnen zusammen gern die für die Interessensschwerpunkte Ihrer Zielgruppe optimale Besichtigungsform. Lassen Sie Ihre Reisenden einen Eindruck gewinnen von der im Holocaust ausgelöschten reichen Kultur der Juden in Warschau:

  • der jüdischen Shtetl,
  • dazu der Klezmer-Musik voller Lebensfreude,
  • das religiöse Leben der verschiedenen Jeshiwa-Schulen und
  • der jüdischen Schul- und Bildungsformen.

Weitere wichtige Gedenkpunkte jüdischen Lebens in Warschau, die Sie Ihren Gästen zeigen sollten, sind

  • das Denkmal der Ghetto-Helden,
  • das Denkmal am Skwer Willy Brandta, das an Willy Brandts Kniefall erinnert und
  • der Umschlagplatz, von wo aus die Warschauer Juden zu den Gaskammern deportiert wurden.

Ein Besuch im Waisenhaus in der Straße Krochmala, das Janusz Korczak einst leitete, ist besonders berührend. Korczak begleitete aus freiem Willen „seine“ Kinder und ließ sie auch auf dem Weg in den Tod in den Gaskammern nicht allein. Seinem Wirken ist eine eindrucksvolle Ausstellung gewidmet.

Im Besuchsprogramm sollte ein Besuch des jüdischen Friedhofs nicht fehlen. Auch ein Gang durch das ehemalige Ghetto-Gelände sollte dazugehören. Ein Besuch der Nozyk-Synagoge lässt die Glaubenswelt der Warschauer Juden entdecken.

Jüdisches Akademikerhaus (© Adrian-Grycuk)
Jüdisches Akademikerhaus (© Adrian-Grycuk)

Darüber hinaus sind zwei Orte (nicht nur) literarisch betrachtet von besonderem Interesse:

  • Der Literaturnobelpreisträger Isaac Bashevis Singer hat in seinen Romanen das jüdische Leben in Warschau geschildert. Ein Gang durch die Krochmala-Straße und die benachbarten Gassen und Straßen lassen das alte jüdische Warschau noch erahnen.
  • In Mila 18 beschreibt Leon Uris Warschau mit dem Fokus auf der gleichnamigen Straße. Sein weltbekannter Roman zeichnet das jüdische Leben in der Stadt, die Einrichtung des Ghettos und die Kämpfe der Zeit des Ghetto-Aufstands nach.

Unser Tipp: bereiten Sie für Ihre Reisenden doch eine kleine Literaturliste zusammen mit zum Thema der Reise „Juden in Polen“ passenden Titel vor.

Krakau – Jüdisches Leben in Kazimierz

Kazimierz ist das südöstlich der Altstadt gelegene jüdische Viertel von Krakau. Es gehört zu den europaweit besterhaltenen jüdischen Wohnarealen. Der polnische König Kasimir der Große gründete Kazimierz 1335 als eigene Vorstadt.

Krakau und Kazimierz blieben im Zweiten Weltkrieg weitgehend unzerstört. Daher fühlt man sich in Kazimierz auch heute noch ein bisschen wie im Musical Anatevka. Hier kann man zumindest noch eine Ahnung vom untergegangenen Shtetl-Leben erhalten.

Kazimierz Synagoge (© Zygmunt-Put-Zetpe0202)
Kazimierz Synagoge (© Zygmunt-Put-Zetpe0202)

Diese Shtetl bildeten im Osten Europas eigenständige Gemeinwesen innerhalb einer Stadt. Diese waren meist jiddischsprachige. Im Osten Europas nämlich assimilierten sich die Juden überwiegend nicht und nahmen deshalb die jeweilige Landessprache seltener an als im westlichen Europa.

Es gibt viel zu sehen in Kazimierz: die sieben Synagogen oder die heute wieder zahlreichen Läden und Restaurants. Hier können Sie den Besichtigungstag für Ihre Busreisenden mit einem jüdischen Essen und einem Klezmermusikabend ausklingen lassen.

An die Vergangenheit gemahnen z.B. der Rhemu-Friedhof und das einstige Ghetto-Gelände in Podgorze. Auch dort gibt es noch so viel erhaltene Bausubstanz, dass der berühmte Film „Schindlers Liste“ am Originalschauplatz gedreht werden konnte. Besonders interessant ist ein Rundgang auf den Spuren von „Schindlers Liste“. Vor dem Krieg lebten ca. 60.000 Juden in Kazimierz. Sie wurden von den Nazis 1941 zunächst ins Ghetto Podgorze verschleppt und dann, bis auf die 1200 Juden, die Schindler retten konnte, größtenteils in Auschwitz ermordet.

Eine Städtereise nach Krakau lässt sich auch mit einzelnen Programmpunkten erweitern.

Auschwitz – Millionenfaches Leid

Von Krakau aus ist es nur ein kurzer Weg nach Auschwitz (Oswięcim). Dort findet sich das Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und des dortigen Staatlichen Museums. Es ist ein Weg mitten hinein in die Topographie der Vernichtung und den millionenfachen Völkermord an den Juden, Sinti und Roma.

Dieser Besuch ist mit nichts zu vergleichen und lässt niemanden unberührt. Näher als an diesem Ort kann man dem Grauen nicht kommen. Weil das so ist, wird vom Besuch mit Kindern unter 14 Jahren abgeraten. Bitte weisen Sie Ihre Reisenden rechtzeitig darauf hin. Wenn Sie einen Auschwitz-Besuch mit Ihren Busreisenden planen, kontaktieren Sie bitte mein brylla-Team. Unsere Experten beraten Sie bei der Planung des Besuchs und der Führung.

Lodz – Das gelobte Land

In Łódź, wo sich einer der größten jüdischen Friedhöfe Europas befindet, waren vor dem Krieg ca. 35% der Einwohner Juden. Gelobtes Land wurde die Industriestadt der Tuchhersteller genannt. Auch der polnische Literaturnobelpreisträger WƗadysław Reymont wählte diesen Titel für seinen zweiteiligen Roman über die Zeit, in der in Lodz Goldgräberstimmung herrschte. Dies war eine Zeit in der Deutsche, Juden, Polen und Russen binnen weniger Jahre zu Reichtum kamen und lernten, friedlich in einer Stadt zusammenzuleben.

Das Phänomen nannte der aus Lodz stammende kongeniale Übersetzer polnischer Literatur den „Lodzermensch“. Die multikulturelle Industrielandschaft von Lodz ist heute nationales Geschichtsdenkmal Polens.

Die jüdische Geschichte in dieser multiethnisch geprägten Stadt ist keine einfache Geschichte. Da ist zum Beispiel der große Kontrast der prächtigen Palais reicher jüdischer Geschäftsleute und Fabrikanten an der Piotrkowska-Straße und dem einstigen jüdischen Armenviertel.

Lodz Jüdischer Friedhof (© Piotr Sereczyński)Lodz Jüdischer Friedhof (© Piotr Sereczyński)
Lodz Jüdischer Friedhof (© Piotr Sereczyński)

Außerdem endete das friedliche Zusammenleben der Ethnien in Lodz spätestens mit der Einrichtung des Ghettos Litzmannstadt. Es wurde schnell zum zweitgrößten Ghetto auf polnischem Boden mit seinen über 160.000 inhaftierten Menschen.

Zur Ghetto-Gedenkstätte auf dem Gelände des einstigen Bahnhofs Radegast (Radogoszcz) gehört das hölzerne Bahnhofsgebäude. In diesem ist das Museum untergebracht, dazu ein Original-Zug der Reichsbahn, Grabsteine und Gedenktafeln. Außerdem gibt es einen Tunnel, der zu einem Denkmal führt, das den Weg in die Vernichtungslager symbolisiert.

Am ehemaligen Ghettogelände befindet sich der Park der Überlebenden (Park Ocalałych) mit einer Fläche von etwa 8,5 Hektar. Rund 400 Bäume wurden dort von Ghetto-Überlebenden gepflanzt.

Vor dem Krieg gab es 250 Synagogen, heute nur zwei: die Reicher Synagoge in der Rewolucja-Straße und die 1998 fertiggestellte Synagoge im Haus der Jüdischen Gemeinde in der Pomorska-Straße.

Der „Neue Jüdische Friedhof“ (Nowy cmentarz żydowski) in der Bracka-Straße wurde 1892 angelegt und umfasst eine Fläche von 40 Hektar. Mit seinen rund 65.000 Grabmälern und 180.000 Grabstätten ist er der größte erhaltene jüdische Friedhof Europas. Auch die rund 43.000 Opfer des Ghettos Litzmannstadt haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Ein Denkmal erinnert an die Lodzer Holocaust-Opfer.

Jüdische Spuren im Osten Polens

Falls Sie Busreisen in den Osten Polens planen, ist der Raum Lublin besonders interessant. Nicht umsonst wurde Lublin das jüdische Oxford genannt; prägte sich hier doch eine besondere jüdische Gelehrsamkeit und Religiosität aus.

Hier finden Ihre Reisenden neben der Jeshiwas in Lublin noch den jüdischen Friedhof. In den Altstadtgassen zeigen sich noch Reste der Shtetl-Atmosphäre.

Nicht weit ist es nach Majdanek, das ein Stadtteil von Lublin ist. Das dortige Vernichtungslager war einer der Hauptorte des Holocaust und Verwaltungssitz der Aktion Reinhardt.

Sehenswert ist auch Szczebrzeszyn mit seiner barocken Synagoge und einem der ältesten jüdischen Friedhöfe Polens. In Biłgoraj wuchs I. B. Singer auf – er wurde später der einer der bekanntesten jüdischen Schriftsteller. In Tarnogród ist vor allem die alte Synagoge ein lohnendes Ziel.

Es gibt natürlich noch viel mehr Möglichkeiten, auf den Spuren des jüdischen Polens zu reisen. Eine komplette Aufzählung würde den Rahmen meines ohnehin schon langen Artikels sprengen. Melden Sie sich also gern bei meinem brylla-Team. Gemeinsam finden wir dann passende jüdische Spuren, beispielsweise grenznah in der Neumark, in Posen, Breslau oder Meseritz (Międyrzecz).

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