Der Artikel „Geheimtipps Niederschlesiens“ ist Teil 1 einer Artikelserie zu touristischen Sehenswürdigkeiten in Polens „Bundesländern“ (Woiwodschaften). Niederschlesien ist der westlichste Teil der einstigen historischen Region Schlesien. Diese erstreckte sich über die heutigen Woiwodschaften Niederschlesien mit ihrem Zentrum Breslau, Oppelner Schlesien (Województwo Opolskie) mit der Hauptstadt Oppeln (Opole) und Schlesien (Województwo Śląskie) mit dem Zentrum Kattowitz (Katowice). Teil 2 der Serie (Oppeln) finden Sie hier.
Niederschlesiens besondere Vorteile sind, dass es wie kaum eine andere Region unseres Nachbarlands zu allen Jahreszeiten eine Reise wert ist. Zusätzlich attraktiv macht Niederschlesien die Grenznähe: Alle dortigen Urlaubszentren sind auf gut ausgebauten Straßen und Autobahnen mit dem Bus schnell zu erreichen.
Künstlerkolonie Schreiberhau (Szklarska Poręba)
Inhaltsverzeichnis
Schreiberhau war schon vor dem 2. Weltkrieg ein bekanntes Zentrum für den Winter- und Wandersport. Dazu trug insbesondere die Höhenlage des 1.362 Meter hohen Berges Reifträger (Szrenica) im Riesengebirge bei.
Doch Schreiberhau hat neben dem Sport noch mehr zu bieten – nämlich die Geschichte einer Künstlerkolonie, die einst „schlesisches Worpswede“ genannt wurde. Ende des 19. Jahrhunderts begann es.
Damals erstanden die Schriftsteller-Brüder Gerhart und Carl Hauptmann (1858-1921; Pseudonym Ferdinand Klar) dort ein Haus. Carl Hauptmann wohnte in diesem Haus bis zu seinem Tod im Jahr 1921. Gerhard Hauptmann hingegen zog 1895 nach Agnetendorf um.
Im Haus der Gebrüder Hauptmann in Schreiberhau ist heute ein 1994 erstandenes sehenswertes Museum eingerichtet. Es ist zuvorderst den Hauptmannbrüdern gewidmet. Dort finden sich aber auch Bilder von dem mit den Hauptmann-Brüdern verwandten Maler Otto Mueller und ein Gobelin von Wanda Bibrowicz.
Rund um diesem „Künstlerkern“ entstand eine lebendige künstlerisch-kreative „Kolonie“. Denn das Haus der Hauptmannbrüder war ein echter Anziehungspunkt für Künstler wie Wilhelm Bölsche, Bruno Wille oder Hermann Stehr. Und neben der „literarischen Disziplin“ fanden zunehmend auch bildende Künstler wie Otto Müller Gefallen an dem Ort.
Mein Tipp: Nehmen Sie Kontakt mit dem brylla-Team auf, wenn Sie an einer kleinen Tour durch das „künstlerische“ Schreiberhau interessiert sind. Die Spuren des Literaturnobelpreisträgers Gerhard Hauptmann und anderer Bewohner der Künstlerkolonie dürften eine Vielzahl von Reisenden interessieren!
Glatz (Kłodzko) – Das kleine Krakau
Nicht umsonst wird die Altstadt von Glatz mit der Krakaus verglichen. Die Stadt wird im Volksmund sogar Klein-Krakau genannt.
In jedem Fall zählt Glatz zu den schönsten Städten Niederschlesiens. Die Stadt an der Glatzer Neiße ist traumhaft gelegen. Sie ist von einer ganzen Reihe von Mittelgebirgen umgeben: unter anderem dem Eulengebirge (Góry Sowie), dem Warthagebirge (Góry Bardzkie), dem Bielengebirge (Góry Bialskie), dem Glatzer Schneegebirge (Masyw Śnieżnika), dem Adlergebirge (Góry Orlickie) und dem Heuscheuergebirge (Góry Stołowe).
Die Stadtgeschichte reicht bis zum Jahr 981 zurück, und eines der ältesten Bauwerke ist die 1291-1390 erbaute Brücke über die Młynówka. Viele der Glatzer Reisegäste werden gleich feststellen, dass diese Brücke über den Mühlengraben eine exakte Kopie der Prager Karlsbrücke ist.
Doch geprägt ist das Stadtbild bis heute vor allem von der Habsburger Zeit. Und hier besonders durch die 1680-1702 erbaute sternförmige Festung Glatz. Unterhalb der Festung und der Altstadt verläuft ein geheimnisvolles Netz von Tunneln und unterirdischen Gängen, die auch die Kirche Maria Himmelfahrt mit der Glatzer Gnadenmadonna aus dem Jahr 1360 mit der Festung verbinden.
Und mit den unterirdischen Gängen kamen eine ganze Reihe von Mythen und Sagen auf. Sie handeln von verborgenen Schätzen und seltsame Geschehnissen.
Kreisau (Krzyżowa) und das freie Denken
Das alte Gutsdorf Kreisau (Krzyżowa) ist rund 7 Kilometer von Schweidnitz (Świdnica) entfernt. Das Gut Kreisau gehörte vor dem Krieg den Grafen von Moltke. Ab dem Jahr 1941 diente es als Treffpunkt einer Widerstandsgruppe gegen die Naziherrschaft, dem sogenannten „Kreisauer Kreis“.
Dieser Kreis setzte sich aus gesellschaftlich breiten Bevölkerungsgruppen zusammen. Und er war auch inhaltlich breit aufgestellt. So formulierte er bereits Programme mit Grundsätzen für eine demokratische Neuordnung Deutschlands und Europas nach dem Ende der Nazidiktatur.
Und genau an diesem Ort fand dann auch die deutsch-polnische Versöhnungs-Messe statt. Allerdings erst rund 40 Jahre später, nach der politischen Wende Polens. Am 12. November 1989 waren Bundeskanzler Helmut Kohl und der polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki Gäste dieser nicht zu unterschätzenden Zeremonie.
Auf diese geschichtlichen Wurzeln konnte sich die Stiftung Kreisau berufen. Sie wurde als Stiftung für Europäische Verständigung im Jahr 1990 gegründet. Mit großer Unterstützung durch Freya von Moltke begann der Wiederaufbau des teils verfallenen Guts Kreisau.
Im Jahr 1998 wurde in Kreisau auch noch die Internationale Jugendbegegnungsstätte der Stiftung Kreisau eröffnet. Das 1720 erbaute Schloss der Familie von Moltke dient heute als Gedenkstätte. Hier wird an den Widerstand gegen die Nazidiktatur sowie an die Bürgerbewegungen in Polen und anderen osteuropäischen Ländern erinnert.
Im Geist des Bauhauses: 90 Jahre WuWa-Ausstellung in Breslau
Der Schlesische Landesverband des Werkbunds hatte eine Musterbauausstellung eines modernen Stadtviertels geplant. Diese war Teil der Ausstellung „Wohnung und Werkraum“, kurz WuWa. Eröffnet wurde die WuWa 1929.
So kam es, dass unweit der Breslauer Jahrhunderthalle ein Stück lebendige moderne Architekturgeschichte entstand. Deren Schöpfer zählen neben den Bauhaus-Architekten zu den wichtigsten Vorreitern modernen, menschengerechten Bauens. Der Bekannteste von ihnen war Hans Scharoun. Er entwarf Jahrzehnte später die Berliner Philharmonie.
Ziel der Musterbauausstellen war es, kostengünstig und mit zeitgemäßen Materialien neuen Wohnraum zu schaffen. Denn schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Städtewachstum ein echtes Thema.
Deshalb entstanden 33 Gebäude in Form von Ein- und Mehrfamilienhäusern zum Wohnen und Arbeiten. Außerdem wurde bereits damals ein Kindergarten in das Ensemble integriert.
Bei den Bauwerken handelte es sich vorwiegend um kubische Bauten mit Flachdächern. Als spektakulärstes Bauwerk gilt bis heute das zweigeschossige ehemalige Ledigenwohnheim von Hans Scharoun mit seinen geschwungenen Linien.
Mein Tipp: Für Architekturinteressierte gibt es in Breslau noch mehr zu sehen. U.a. die Kaufhäuser von Erich Mendelsohn und Hermann Dernburg. Mein brylla-Team macht ihnen gern Vorschläge. Auf Wunsch wird zusammen mit Ihnen ein maßgeschneidertes Besichtigungsprogramm „Moderne Architektur in Breslau“ für Ihre Gruppenreise ausgearbeitet.
Albendorf (Wambierzyce) das schlesische Jerusalem
Wambierzyce (Albendorf) liegt etwa 20 Kilometer nordwestlich von Glatz. Es gilt als das Schlesische Jerusalem.
Seit dem 17. Jahrhundert befindet sich in Albendorf die meistbesuchte schlesische Marien-Wallfahrtsstätte. Dort wurde 1674 mit der Errichtung eines Kalvarienbergs mit zahlreichen Kapellen begonnen.
Besonders interessant ist die Station mit der gekreuzigten Hl. Wilgefortis. Sie ist auch als Kümmernis bekannt und wurde schon im Mittelalter in manchen Regionen Europas verehrt. Anerkannt wurde diese „Heilige“ von der Kirche jedoch nie. Denn es bleibt zweifelhaft, ob sie wirklich gelebt hat. Kein Wunder also, dass sich zahlreiche Legenden um sie bildeten. Einige dieser Legenden verwandte auch die polnische Schriftstellerin und frisch gebackene Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk in ihrem Buch „Taghaus, Nachthaus“.
Ebenfalls sehr sehenswert ist die vom Prager Baumeister Christian Dientzenhofer und seinem Sohn Kilian Ignatz in den Jahren 1715-1720 erbaute barocke Basilika Mariä Heimsuchung (Bazylika Nawiedzenia Najświętszej Marii Panny). Sie hat eine imposante, reich gegliederte Ostfassade, die an den Sommer-Wochenenden festlich beleuchtet wird. Das Innere des Kirchenschiffs schmücken Altarbilder des bekannten schlesischen Malers Michael Willmann. Der Hauptaltar wird von der im 14. Jahrhundert geschaffenen Figur der Albendorfer Gottesmutter dominiert.
Sie interessieren sich dafür, Ihrem Reiseprogramm das gewisse Etwas zu verleihen? Außerdem wollen Sie auch in Niederschlesien noch wenig bekannte interessante Sehenswürdigkeit ansteuern?