Hotline: +49 (0) 911 42 63 61

Informationen und Interview: Wolfsschanze in Masuren

Wolfsschanze Masuren. Foto: Polnisches Fremdenverkehrsamt BerlinFür viele Organisatoren scheint es ein Pflichttermin bei Reisen durch den Norden Polens zu sein: Die Wolfsschanze, das Hauptquartier Hitlers in Gierloz (Deutsch: Görlitz) in der Nähe von Rastenburg. Wir wollen der Frage nachgehen, inwieweit diese ‚Sehenswürdigkeit‘ für Gruppen geeignet ist und unter welchen Voraussetzungen. Die Frage, ob die Wolfsschanze überhaupt eine touristische Attraktion sein kann, ist schon aus historischen Gründen umstritten.

Unzweifelhaft ist aber die Faszination, die das Ziel sowohl bei historisch interessierten Teilnehmern wie auch bei allgemein poleninteressierten Gruppen erzeugt. Fragt man in einer Masuren-Reisegruppe, ob man die Wolfsschanze besichtigen solle, wird man fast immer eine deutliche Mehrheit für diesen Besuch bekommen.

Wir haben die Expertise der Historikerin Christel Focken für einige Fragen zur Wolfsschanze genutzt, ein spannendes Interview zum Thema Wolfsschanze für unsere Leser zusammenzustellen. Unser Frage: Welche Rolle spielt die Wolfsschanze heute als Sehenswürdigkeit, und was sollte für eine Besichtigung sowohl inhaltlich wie auch organisatorisch bedacht werden?

Vorab aber noch die Fakten: Es war die so genannte ‚Organisation Todt‘, die die Wolfsschanze zwischen 1940 und 1944 als Bunkeranlage mit über 100 unterschiedlichen Gebäuden erbaute. 2.000 Menschen fanden im Jahr 1944 hier ihren Wohnsitz. Verkehrstechnisch angebunden war die Wolfsschanze durch einen eigenen Flugplatz und einen Bahnhof. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs sprengte die Wehrmacht die Gebäude am 24. Januar 1945 selbst. Seit 1959 wird das Gelände touristisch genutzt, pro Jahr besuchen etwa 200.000 Menschen die Anlage. In die Geschichte ging der Ort vor allem durch das Attentat von Stauffenbergs auf Hitler am 20. Juli 1944 ein, das missglückte.

Marek Brylla: Frau Focken, erst einmal möchte ich mich sehr herzlich für Ihre Bereitschaft zu diesem Interview bedanken. Sie sind Expertin in Bezug auf unterirdische Festungsbauten und haben sich intensiv mit der Wolfsschanze befasst. Zuerst gefragt: Was macht diese Faszination der Anlage, die ja für eine negative Vergangenheit steht, für Touristen aus Deutschland aus?

Christel Focken: Die Wolfsschanze ist immerhin das größte und auch bekannteste Relikt des 2. Weltkrieges. Hier stehen die größten Bunker, die im dritten Reich für eine Regierung je gebaut wurden. Außerdem darf man nicht vergessen, dass eben auch Hitler sich hier die meiste seiner Zeit aufhielt.

Marek Brylla: Eine etwas persönlichere Frage an Sie möchte ich gern anschließen. Wie sind Sie Reiseleiterin für die Wolfsschanze geworden?

Christel Focken: Ich biete die Wolfsschanze in meinem Führungsangebot mit an. Allerdings unterscheidet sich mein Angebot von den touristischen Angeboten vor allem darin, das ich das gesamte Führerhauptquartier zeige und nicht nur die Bunker von Mauerwald und den Führerbunker bei Rastenburg. Die Wolfsschanze besteht aus vielen Anlagen die leider bei einer so langen Anreise keine Beachtung finden.

Marek Brylla: Viele Besucher kritisieren, dass es sich nicht um ein ‚beschriftetes und erklärtes Museum‘ handelt, sondern die Gebäude weitgehend unkommentiert da stehen. Ist das ein Problem, das man mit einer inhaltlichen Vorbereitung oder einer Führung vor Ort beseitigen kann? Oder ist es gar kein Problem, und die Wolfsschanze benötigt gar keine Erläuterung?

Christel Focken: Das Problem liegt in zwei Punkten begründet: Leider wollen viele Touristen alles wie in einem Film erzählt haben. Am besten wäre es, man würde Sie in einem Wagen durch die Anlage fahren. Eine Drive-in Wolfsschanze wäre sicher der Wunsch. Dabei ist gerade die eigene Entdeckung der Reiz einer Exkursion in Bunkeranlagen des 2. Weltkrieges, nicht nur in der Wolfsschanze.

Die 2. Problematik liegt in dem Verständnis der Polen zu Museen und deren Darstellung. Viele Museen, die ich zu solchen Anlagen kennenlernte, haben keinen authentischen Anspruch an die Originalität. So werden russische Bauteile verwendet, wenn mal kein Deutsches vorhanden ist. In manchen Bunkern werden technische Sound-Installationen und Lightshows präsentiert, die dort nicht hingehören und meist nicht einmal was mit der Anlage zu tun haben.

Solange sich Museen an eine reale Darstellung orientieren, wäre eine Besichtigung ein Erlebnis.

Marek Brylla: Ist es eine Generationenfrage? Interessieren sich unter den deutschen Besuchern eher ältere Menschen mit mehr Bezug zum Zweiten Weltkrieg für die Wolfsschanze? Oder gibt es sogar bei jüngeren Menschen ein wachsendes Interesse und inwieweit lässt sich das anhand von Besucherzahlen belegen?

Christel Focken: Die älteren haben es entweder noch selbst erlebt oder kennen die Erzählungen der Großeltern. Das ist der Anreiz, es selbst zu sehen. Jugendliche sehen Bunker des 2 Weltkriegs eher in Spielen wie ‚World of Tanks‘ und im Internet und kommen eher daher zu einem Interesse. Leider fehlt dann dazu das Verständnis zu den Geschehnissen.

Marek Brylla: Sie haben gesagt, dass eine inhaltliche Vorbereitung einer Tour durch die Wolfsschanze gut sei. Wie könnte diese aussehen, und wie viel Zeit sollte man für den Besuch des Ortes vorsehen?

Christel Focken: Die Wolfsschanze liegt so weit entfernt, dass eine Anreise mit dem PKW in zwei Tagen und entspannt erfolgen sollte. Wer dann noch das Gesamtkonzept des Führerhauptquartiers (FHQ) sehen will, sollte mindestens eine Woche vor Ort sein. Eine Besichtigung sollte nie ohne einen geeigneten Führer (wenn das Wortspiel erlaubt ist) erfolgen. Besichtigungen können ab Deutschland unter www.fhq-wolfsschanze.info gebucht werden, ich führe Interessenten gern persönlich durch Masuren.

Marek Brylla: Was muss man unbedingt in der Wolfschanzen-Anlage gesehen haben? Was sind Ihre Geheimtipps?

Christel Focken: Ich bitte um Verständnis, das ich als Forscher und Anbieter historischer Spezialbesichtigungen gewisse Betriebsgeheimnisse nicht verrate. Einige Anlagen die ich entdeckte sind bis heute nicht einmal im Zusammenhang den polnischen Betreibern bekannt. In dem Angebot stecken 15 Jahre Suchen und Finden in Archiven und polnischen Wäldern.

Marek Brylla: Keine Frage, das verstehen wir. Was meinen Sie, sollte die Wolfsschanze zu einem echten Museum oder einer echten Sehenswürdigkeit mit mehr Informationstafeln, professionellen Guides und touristischer Infrastruktur entwickelt werden, oder ist es gerade gut so wie es ist?

Christel Focken: Solange es gute Guides gibt die dem Touristen die Informationen geben wenn sie nötig sind, ist der heutige Stand sicher ausreichend.

Marek Brylla: Verraten Sie uns noch, was Sie Gruppen, die die Wolfsschanze besichtigen möchten, als wichtigste drei Tipps nennen würden?

Christel Focken: Viel Mückenspray, keinen Zeitdruck und festes Schuhwerk.

Marek Brylla: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Mehr zu Frau Focken unter www.fhq-wolfsschanze.de und www.ostwall-reisen.de

Anreise: Rastenburg kann man mit dem Zug oder dem Bus erreichen. Zur Wolfsschanze kommt man mit einem lokalen Bus oder mit dem Taxi (Entfernung vom Ort etwa 8 Kilometer).

Öffnungszeiten: Die Wolfsschanze ist 24/7 das ganze Jahr über geöffnet. Wir empfehlen jedoch, das Objekt zwischen der Morgen-und Abenddämmerung zu erkunden.

Preise:
Eintritt Erwachsene: 15 PLN, Eintritt Schüler & Studenten: 10 PLN

Parkplatz: Bus: 25 PLN, Kleinbus: 15 PLN, Auto: 10 PLN, Motorrad: 5 PLN, Fahrrad: 2 PLN,

Reiseführer(PL,DE,EN,RU,FR): Busgruppe: 80 PLN, Individuell: 60 PLN

Print Friendly, PDF & Email

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 4 / 5. Anzahl Bewertungen: 8

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert