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Zu sehen ist der Goldapgarsee der Masurischen Seenplatte, Bild: Semu
Masurischen Seenplatte, Goldapgarsee, Bild: Semu

Schauplätze der Masurenkrimis: Hintergrundwissen zu Mythen und Bräuchen Polens [2023] – Tödliche Göttinen?

In meinem ersten Blogbeitrag zu den Masurenkrimis habe ich touristische Informationen zur Stadt Passenheim (polnisch Pasym) aufbereitet. Den Artikel finden Sie hier. In diesem Beitrag möchte ich Ihnen einen kleinen Einblick in die Mythen und Bräuche der Masuren und darüber hinaus geben.

Inspiriert dazu hat mich der Masuren-Krimi „Marzanna, Göttin des Todes“. In diesem mystisch angehauchten Krimi spürt die Kriminaltechnikern Dr. Victoria Vex (Claudia Eisinger) dem Todesfall einer Psychotherapeutin nach. Sie wird tot im See gefunden. In dem Fall spielen unter anderem Sorgerechtsstreitigkeiten, katholischer Fanatismus, heidnische Riten und die Psychologie große Rollen. Außerdem betätigt sich Victoria Vex auch dieses Mal privat detektivisch.

Ich finde, mit dem Film ist eine sehr gelungene Mischung gelungen. Schauen Sie ihn gerne selbst. Es lohnt sich: Mystische Stimmung, Spannung, wundervolle Landschaften und Einblicke in die Seele Polens.

Aber was hat das mit den Mythen und Bräuchen Masurens zu tun? Hintergrund hierfür ist, dass der Todesfall in diesem Masurenkrimi sich nach dem folkloristischen Marzanna-Fest ereignet. Dieses Fest hat seinen Ursprung in der slawischen Mythologie und wird in Polen bis heute begangen.

Was ist das Marzanna-Fest?

Das Marzanna-Fest wird anlässlich des „Todes“ der mythischen Göttin Marzanna begangen. Sie „bringt“ Frühling und Fruchtbarkeit, wird aber auch mit Winter, Tod und Nacht assoziiiert.

Den Frühlingsbeginn bringt sie durch jährliche Vereinigung mit ihrem Bruder Jarilo. Hierdurch entfesselt sie Fruchtbarkeit. Als Partner jedoch ist Jarilo untreu und verletzt damit Marzanna tief. Sie bittet ihre Brüder, ihren untreuen Mann zu töten. Sie selber verwandelt sich darauf in eine alte verdorrte Gestalt.

Beim Marzanna-Fest wird daher eine als alte Frau verkleidete handgemachte Puppe nach einer Prozession mit Verbrennungen und Ertränken verabschiedet. So wird der Frühling eingeläutet. Das Fest findet am Abend der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche statt.

Zu sehen ist eine moderne Marzanna-Figur, Bild: Tomasz-Kuran-aka-Meteor2017
illustrativ, moderne Marzanna-Figur, Bild: Tomasz-Kuran-aka-Meteor2017

In der Folge des Masuren-Krimis „Marzanna, Göttin des Todes“ wird diese Feier mit Musik und „bewusstseinserweiternden“ Getränken aus Stechapfel und Kräutern gefeiert. Im Anschluss dieser Feier findet eine Frau (eine Psychotherapeutin aus dem Ort) ihren Tod. In gewisser Weise können Göttinen wohl töten. Besonders pikant daran: eine ihrer Patientinnen hatte den Tod im Vorfeld geträumt und den örtlichen Polizisten gebeten, die Dame zu schützen…

Mythologie in Polen und Masuren

Sie sehen, das Marzanna-Fest im Krimi ist Teil der slawischen Mythologie. Sie umfasst die Mythen und religiösen Vorstellungen der slawischen Völker vor ihrer Christianisierung. Ihre Wurzeln reichen also weit zurück. Und sie entfaltet auch im erzkatholischen Polen noch immer eine nicht zu unterschätzende Wirkung – zumal Teile der Mythologie oftmals in christlichen Riten aufgegangen sind.

Schriftliche Überlieferungen dieser Mythologie sind spärlich. Dennoch scheinen die Slawen vor ihrer Christianisierung einer Vielzahl von Göttern und Naturgeistern gehuldigt zu haben. Sie übten dazu viele Naturkulte aus. Es ergeben sich insgesamt eine Vielzahl von Verbindungen zu indoeuropäischen Mythologien. So findet sich auch in slawischen Mythologie ein Kult des Donnergottes. Dieser wird in der slawischen Mythologie „Perun“ genannt und gilt als mächtigster der Götter. Und er ist auch der Vater von Mara, wie die Göttin Marzanna als junges Mädchen geheißen hat.

Welche Spuren hat die slawische Mythologie in Polen und den Masuren hinterlassen?

Die Christianisierung Polens war schon im 13 Jahrhundert erfolgreich abgeschlossen. Seither war und ist das römisch-katholische Christentum die deutlich dominierende Religion des Landes. Und seitdem entfaltet sich der Katholizismus mit einer tiefen Wirkung in und auf Polen. Diese hat selbst die sozialistischen Zeiten überdauert. Der britisch-polnische Historiker Norman Davies bewertete die Annahme des römisch-katholischen Glaubens in Polen daher als „das bedeutendste Ereignis der polnischen Geschichte“.

Da drängt sich natürlich die Frage auf, welche Rolle in einem solchen Umfeld die ursprüngliche slawische Mythologie noch entfalten kann. Und tatsächlich dürfte dieser Einfluss auch eher mittelbar zu spüren sein.

Denn z.B. das Fest der Marzanna wird in heutiger Zeit weniger aus religiösen Gründen gefeiert. Es dient vielmehr der Belustigung und des Spaßes beim Einläuten des Frühlings. Dennoch: Gefeiert wird dieses Fest bis heute und auch die Hintergründe des Festes sind den meisten Polen sehr geläufig.

Und es lassen sich viele weitere Spuren slawischer Mythologie finden. Denn während die Götterkulte bald nach der Christianisierung schnell nachließen, erhielten sich die Kulte der Naturgeister und Dämonen.

Rübezahl

Ihnen allen dürfte die Figur des Rübezahls bekannt sein. Er ist der Berggeist des Riesengebirges. Und die sich um ihn rankenden Sagen und Märchen sind den Polen noch heute sehr geläufig.

Zu sehen ist eine Rübezahlfigur vor dem Museum Geheimnisse des Riesengebirgers in Karpacz, Bild: Szydzio
Karpacz, Rübezahlfigur vor dem Museum, Bild: Szydzio

Auch in Deutschland sind die Geschichten um die Figur vielfach bekannt. Insbesondere an die Geschichte wie er zu seinem Namen gekommen sein soll, dürften sich einige von Ihnen erinnern.

Denn auch wenn die Herkunft des Namens Rübezahl nicht geklärt ist, gab es Versuche ihn zu erklären. Laut Erzählungen entführt Rübezahl die Königstochter Emma in sein unterirdisches Reich. Er möchte sie heiraten.

Verständlich, dass Emma sich in der ungewohnten Umgebung und ohne Perspektive traurig ist. Rübezahl versucht ihre Stimmung mit Rüben zu heben, die sie in jede gewünschte Gestalt verwandeln kann. Doch die Rüben verwelken.

Schließlich verspricht Emma, ihn ihn zu heiraten. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass Rübezahl ihr die Zahl der Rüben auf dem Feld nennen könne. Sollte er diese Voraussetzung nicht erfüllen könne, müsse er sie frei lassen.

Sofort beginnt Rübezahl zu zählen. Und weil er ganz sicher gehen will zählt er zweimal. Allerdings gelangt er beim zweiten Zählen zu einem anderen Ergebnis. Emma nutzt die Zeit, um auf einer zum Pferd verwandelten Zauberrübe zu ihrem Prinzen Ratibor zu fliehen. Seither verspottet sie den Geist mit der Anrede Rübezahl. Daher wird Rübezahl sehr zornig, wenn er mit diesem Spottnamen bedacht wird – hingegen freut er sich über seine Anrede „Herr der Berge“.

Übrigens: in Polen ist seit 1898 die Bezeichnung Liczyrzepa (wörtliche Übersetzung Rübe+zählen) nachweisbar. Um ihn in Ehren zu halten wird auch Duch Gór („Berggeist“) oder Rzepiór verwendet.

Zu sehen gibt es über den Bergriesen nahe der Schneekoppe eine botanische Lokalität mit besonders großem Pflanzenreichtum, der als „Rübezahls Gärtchen“ bezeichnet wird. Außerdem finden sich vielfache Abbildungen, Standbilder und ähnliche Hinweise auf den Rübezahl gerade im Riesengebirge. Und in Szklarska Porba findet sich sogar ein symbolisches Grab für diese Figur der Legende. Wer mehr erfahren will, kann einige seiner Legenden hier nachlesen.

Noch eine Hintergrundinformation: Die Figur „Rübezahl“ stammt vermutlich aus dem Harz und ist wohl „erst“ im 15. Jahrhundert (also schon nach der Christianisierung) in Polen „heimisch“ geworden. Aber er konnte hier auch deshalb heimisch werden, weil der Glaube an Elementargeister wie ihn Teil des slawischen Mythologie war.

Utopek

Auch der Utopek als Wassermann ist in Polen vielerorts insbesondere in Schlesien zu finden. Dorther stammt er wohl auch – wenngleich sich auch hier viele Parallelen z.B. zu deutschen oder tschechischen Wassermännern finden lassen.

Eines haben sie alle gemein: ihren Wohnort. Denn die Ufer von Binnengewässern waren schon immer gefährlich für leichtsinnige Besucher: Sie konnten beim Baden, Angeln oder neugierigen Umherstreifen schnell in Gefahr oder sogar zu Tode kommen.

In alten Zeiten erklärten Menschen sich bedeutende Themen häufig durch eine mythische Person. Das war im Falle des Ertrinkens nicht anders.

Heute nutzen wir naturwissenschaftliche Erklärung für das Ertrinken in Seen (z.B. Todesursachen wie die Verstrickung des Badenden in Wurzeln, das Einsinken in Morasten). Die alten Slawen hingegen erklärten sich die Gefahr mit mytisch-geisterhafte Personen, die den Tod herbeiführten.

Es gab dafür sogar zwei unterschiedliche Vorstellung von Wassergeistern. Die eine galten als rein bösartige Dämonen. Sie hatten keine „ordnende“ Funktion und töteten sogar Tiere, die sich dem Wasser näherten. Sie hatten eine Gestalt, die an Wasserleichen erinnerte.

Zu sehen ist eine Utopek-Figur am polnischen Balaton, Bild: Piotr-Hojka
Polnischer Balaton, Utopek-Figur, Bild: Piotr-Hojka

Die anderen wurden Wassermänner genannt. Sie galten auch als Schutzgeister ihrer Umgebung. Ihr Aussehen ähnelte nicht einer Wasserleiche. Man stellte sie sich vielmehr als kleine alte Männer mit fischähnlichen grünen Augen und Schwimmhäuten. Ihnen begegnete man trotz ihrer geringen Größe mit Angst und Respekt. Denn als Ordnungshüter des Wassers wurden sie auch für die Verantwortlichen von Überschwemmungen angesehen. Aus diesem Grund wurden ihnen auch Tiere durch Ertränken geopfert.

Halten Sie gerne mal an einem polnischen See Aussicht nach Figuren solcher Wassergeister. Sie werden überrascht sein, wie häufig sich solche oft aus Holz geschnitzte Figuren dort finden.

Im Masurenkrimi „Marzanna, Götting des Todes“ wird also auf durchaus noch lebendige slawische Mythologie zurückgegriffen. Und sie werden überrascht sein, wie ergreifend dieser Film ist.

Wenn Sie mehr wissen wollen, nehmen Sie unverbindlich mit mir oder meinem Team Kontakt auf. Wir geben Ihnen z.B. auch Tipps, wie Sie die Destination Passenheim in ihre Gruppenreise integrieren können.

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