Die Geschichte Polens ist lang und abwechslungsreich. Sie hat überall ihre Spuren in unserem Nachbarland hinterlassen. Oft handelt es sich dabei um schöne Dinge – Schlösser, Burgen und beeindruckende Parkanlagen, die der sonnigen Seite der Historie Polens zu verdanken sind. Doch diese weist auch Schatten und tiefe Narben auf. Um das Land und die Leute besser zu verstehen, ihre Haltung zu bestimmten Themen besser nachvollziehen zu können, empfiehlt es sich damit auseinanderzusetzen. Und da die Geschichte Polens tief mit der deutschen verwoben ist, ist eine Reise zu den Gedenkstätten unseres Nachbarn oft auch eine Reise in unsere eigene Vergangenheit.
Im vorliegenden Beitrag möchte ich Ihnen die aus meiner Sicht wichtigsten Gedenkstätten Polens vorstellen. Das heißt solche, die an die markantesten Eckpunkte der polnischen Geschichte erinnern. Ich möchte dabei chronologisch vorgehen und beginne mit Orten, die an Ereignisse erinnern, welche weit zurückliegen und arbeite mich dann zu jenen vor, die bis in die Gegenwart wirken.
Das Grunwald-Denkmal
Inhaltsverzeichnis
Das in der Woiwodschaft Ermland-Masuren im Norden Polens befindliche Grunwald-Denkmal ist zweifelsohne eines der bedeutendsten und identitätsstiftenden Gedenkstätten des Landes. Im Jahre 1960 zum 550. Jahrestag der Schlacht von Grunwald (deutsch: Tannenberg) errichtet, die am 15. Juli 1410 stattfand, besteht das Bauwerk im Wesentlichen aus drei Teilen. Aus einem Granitobelisk, elf 30 Meter hohen Masten, die die Standarten der siegreichen polnisch-litauisch-ruthenischen Truppen, die an der Schlacht teilnahmen, symbolisieren sowie einem Amphitheater, welches auch das Schlachtmuseum und einen Kinosaal beherbergt. Das monumentale Ensemble wird darüber hinaus pünktlich zum 15. Juli zum Schauplatz einer nicht minder monumentalen Inszenierung. Diese beläuft sich auf eine aufwändige Rekonstruktion des geschichtsträchtigen Ereignisses und ist ein Teil des „Festivals“, das seit 1998 jährlich im Sommer stattfindet und Tausende von Besuchern anzieht. Für sie, die Zuschauer, geben sich Hunderte von Darstellern mit authentischen Kostümen und Waffen die größte Mühe, die Schlacht von Grunwald nachstellen. Es werden Reiter, Infanteristen, Bogenschützen und sogar die damals in Kinderschuhen steckende Artillerie eingesetzt, um den Kampf realistisch und historisch möglichst korrekt abzubilden.
Die Schlacht von Grunwald – eine der größten im Mittelalter – gilt als einer der Schlüsselmomente in der Geschichte Polens und Litauens sowie als ein wichtiger Wendepunkt im Machtgefüge Ostmitteleuropas, welches bis dato von den Kreuzrittern dominiert wurde. Das Denkmal hat daher eine große symbolische Kraft für die polnische Geschichte und Identität. Während der Teilungen des Landes, die in der polnischen Wahrnehmung von den Nachkommen der 1410 besiegten Rittern vollzogen wurden, wurde die Schlacht von Grunwald zum Nationalmythos. Dieser trug dazu bei, in den Zeiten der Russifizierungs- und Germanisierungspolitik seitens der Teilungsmächte, die polnische kulturelle Identität aufrechtzuerhalten. Das Grundwald-Denkmal wurde gezielt in dieser Tradition erbaut und ist deshalb bis heute ein wichtiger Ort für Gedenkveranstaltungen und Feiern, die weit über den Sieg über den Deutschen Orden hinausgehen. Diese Sichtweise mag heutzutage etwas befremdlich wirken. Im ausgehenden Kaiserreich, als das Gebiet noch zum deutschen Staatswesen gehörte, wurde sie jedoch uneingeschränkt geteilt. Mehr noch: Sie führte zu einem Gegenentwurf, der sich in dem Gedenken an eine andere Schlacht von Tannenberg manifestiert hat. Nämlich jene, die sich im Ersten Weltkrieg im Jahre 1914 zugetragen hat und auf Wunsch Hindenburgs in der deutschen Erinnerungskultur die „Scharte von 1410 ausgewetzt haben“ sollte.
Das Grunwald-Denkmal sowie die alljährliche Inszenierung ziehen Touristen und Teilnehmer aus aller Welt an. Sie bieten eine einzigartige Gelegenheit die Geschichte hautnah zu erleben und über ihre Bedeutung für die Gegenwart nachzusinnen. Die zyklische Veranstaltung umfasst häufig auch kulturelle Events, historische Ausstellungen und Handwerksmärkte, die das Erlebnis für die Besucher zusätzlich bereichern und zu einem echten Highlight machen.
Westerplatte-Denkmal und das Museum des Zweiten Weltkrieges
Das Westerplatte-Denkmal mit der leider utopischen Aufschrift „Nie wieder Krieg“ und das benachbarte Museum des Zweiten Weltkriegs bieten eine einzigartige Möglichkeit in die Geschehnisse der Kriegsjahre 1939-1945 einzutauchen.
Das Westerplatte-Denkmal, enthüllt am 9. Oktober 1966, erinnert an die heroische Verteidigung durch polnische Soldaten zu Beginn des größten Krieges der Menschheit. Das imposante Monument, bestehend aus 236 Granitblöcken mit einem Gesamtgewicht von 1150 Tonnen, thront majestätisch über dem Danziger Hafenkanal und ist sowohl ein eindrucksvolles Symbol des Heroismus als auch ein bedauerlicherweise ungehörter Aufruf zum Frieden. Seine Wirkung wird zusätzlich dadurch gestärkt, dass er tatsächlich am Originalschauplatz der Kämpfe um die Westerplatte, die in der ersten Woche des Zweiten Weltkriegs stattfanden, errichtet wurde. Das benachbarte Museum des Zweiten Weltkriegs, das seit dem 26. Januar 2017 Besucher empfängt, zählt zu den neuesten in Polen. Es bietet mithin einen einzigartigen und modern konzipierten Einblick in die Ereignisse des Krieges. Obwohl es zunächst die Geschichte des gesamten Krieges dokumentieren sollte, hat es sein Profil geändert und konzentriert sich nun auf die Geschichte von Danzig und der Region Pommerellen während dieser turbulenten Zeit. Diese Entscheidung hat zwar Kontroversen ausgelöst, bietet aber auch eine tiefgreifende und persönliche Perspektive auf die Auswirkungen dieses bedeutenden und tragischen Kapitels der Menschheitsgeschichte auf die lokale Bevölkerung.
Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau mitsamt Museum
Das ehemalige nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Kleinpolen nahe Krakau steht als düsteres Symbol des Leids und Schreckens. Seine Bedeutung als Mahnung und Warnung für die Gegenwart und die kommenden Generationen ist unvermindert stark.
Die ersten polnischen Häftlingstransporte erreichten das Lager im Juni 1940, doch von den 20.000 Gefangenen überlebte nur die Hälfte die ersten beiden Jahre. Im Jahr 1942 wurde das Lager um ein Vernichtungslager in Birkenau erweitert, das die bisherigen Grausamkeiten noch übertraf und die industrielle Massenvernichtung im Rahmen der “Endlösung der Judenfrage” verkörperte. Dieser Ort wurde zum Schauplatz des schrecklichen Holocausts, in dem vor allem Juden aus ganz Europa ums Leben kamen.
Im Verlauf der Jahre wurden mehr als 40 weitere Lager um das Hauptlager Auschwitz herum errichtet, in denen die Häftlinge Zwangsarbeit für deutsche Industriebetriebe leisten mussten. Der Schrecken fand sein Ende im Jahr 1945, als das Lager am 27. Januar von der heranrückenden Roten Armee befreit wurde.
Heutzutage dient Auschwitz-Birkenau als Gedenkstätte, die die meisten ursprünglichen Gebäude des Lagers in einem bemerkenswert gut erhaltenen Zustand bewahrt. Besuche der Gedenkstätte werden nicht für Kinder unter 14 Jahren empfohlen, und es ist wichtig, dass Besucher angemessene Kleidung und Verhalten zeigen, die dem Gedenken an die rund 1,5 Millionen Opfer gerecht werden. Für weitere Hintergrundinformationen rund um den Besuch in Auschwitz empfehlen wir Ihnen folgenden Blogbeitrag.
Museum des Warschauer Aufstandes und das Denkmal des Kleinen Aufständischen
August 1944 und die darauffolgenden zwei Monate, gehören zu den schlimmsten in der Geschichte der polnischen Hauptstadt. Gleichzeitig trugen sie enorm dazu bei, in der Zeit der kommunistischen Fremdherrschaft die polnische Identität, den Stolz und die Hoffnung auf bessere, selbstbestimmte Zeiten aufrechtzuerhalten. Diesen Monaten, in denen Warschau sich gegen die Nazi-Besatzung erhob und in Feuer und Flammen unterging, ist eines der spannendsten und modernsten Museen Polens gewidmet – das Museum des Warschauer Aufstandes.
Seine Eröffnung erfolgte zum 60. Jahrestag des Ausbruchs des Aufstandes im August 2004. Das repräsentative Gebäude ist recht zentral gelegen und gut in Szene gesetzt.
Es befindet sich im ehemaligen Elektrizitätswerk der Warschauer Straßenbahnen im Stadtbezirk Wola am Rande der Warschauer City.
Die Museumsausstellung ist eine kreative Verschmelzung aus visuellen, auditiven und taktilen Elementen, die das Geschehen des Aufstands lebendig werden lassen. Durch die geschickte Verwendung von Bildern, Lichtspielen und Klang wird den Besuchern die Realität dieser historischen Ereignisse eindrucksvoll vermittelt. Großformatige Fotografien, interaktive Monitore und innovative Multimedia-Effekte sind die Eckpfeiler dieser fesselnden Präsentation. Ein klar markierter Pfad führt die Besucher durch eine chronologische Abfolge des Kampfgeschehens, während sie durch verschiedene thematische Bereiche wandern. Das zentrale Element des Museums ist ein imposantes Stahlmonument, das sich durch sämtliche Stockwerke erstreckt. Eine in die Wände eingravierte Zeitleiste veranschaulicht den Verlauf des Aufstands, während das rhythmische Pochen eines Herzens das Leben in der kämpfenden Stadt symbolisiert. Im Erdgeschoss wird der Ausbruch des Aufstands, bekannt als die “Stunde W”, eindrucksvoll dargestellt. In einem gesonderten Raum werden historische Druckmaschinen aus den 1940er Jahren präsentiert, die bis heute in Betrieb sind und ein lebendiges Zeugnis dieser Zeit darstellen.
Die Ausstellung wird im zweiten Stock fortgesetzt. Hier werden den Besuchern eine beeindruckende Sammlung von Armbändern der Aufständischen präsentiert. Im Zwischengeschoss tauchen die Gäste in die Details der einzelnen Kämpfe sowie des Alltagslebens im aufständischen Warschau ein. Das Kino Palladium zeigt eine fesselnde Auswahl von drei aufständischen Wochenschauen, die vom Informations- und Propagandabüro der polnischen aufständischen Heimatarmee produziert und während des Kampfgeschehens aufgeführt wurden. Weiter entlang des Besichtigungsweges gelangen die Besucher zu einem rekonstruierten Kanal, der durch entsprechende Szenografie, Bild- und Toneffekte eine eindrucksvolle Identifikation mit den Aufständischen ermöglicht. Kanäle spielten nämlich eine wichtige Rolle während des Aufstandes. Sie erlaubten den Kämpferinnen und Kämpfer sich innerhalb der besetzten Stadt einigermaßen unbemerkt zu bewegen und wurden dennoch oftmals zu deren Grab. Diesem traurigen Umstand ist ein berühmter und mehrfach prämierter Spielfilm des Oscarpreisträgers Andrzej Wajda aus dem Jahr 1957 gewidmet.
Nach der Passage durch den Kanal und über eine Treppe erreichen die Besucher den ersten Stock. Hier wird der Fokus auf die Niederschlagung des Aufstands sowie die weltgeschichtlichen Folgeereignisse gelegt, wie etwa die Gründung und Aktivitäten des moskauhörigen Polnischen Komitees der Nationalen Befreiung, die Entscheidungen der Großen Drei über Einflusssphären in Europa und die Kapitulation sowie den Exodus der Warschauer Bevölkerung. Besonders hervorgehoben wird die Gedenkstätte, welche die Gräber der Aufständischen beherbergt.
Ein herausragendes Merkmal des zweiten Ausstellungsteils im Liberator Room ist die maßstabsgetreue Nachbildung des Flugzeugs Liberator B-24J, ergänzt durch eine Abteilung, die den alliierten Luftabwürfen gewidmet ist. Diese sicherten eine Zeit lang das Überleben und die Kampftauglichkeit der Aufständischen. Allerdings bei weitem nicht im nötigen Ausmaß.
Der Freiheitspark, der das Museumsgebäude umgibt, wird durch das eindrucksvolle Mauerwerk des Gedenkens geprägt. Hier sind die Namen von fast elftausend gefallenen Kämpferinnen und Kämpfer eingraviert, die im August und September 1944 den Nazis mutig die Stirn boten. In der Mitte der Mauer hängt die monumentale Glocke “Monter”, als ehrfürchtige Hommage an Brigadegeneral Antoni Chruściel – Deckname Monter – den tapferen und letztlich tragischen Kommandeur des Warschauer Aufstands.
Dem Warschauer Aufstand ist auch ein anderer Ort in der polnischen Hauptstadt gewidmet, die wie keine andere Hauptstadt im Zweiten Weltkrieg gelitten hat. Der Ort ist viel kleiner als das pompöse Museum, aber in seiner Wirkung nicht minder einprägsam.
Es handelt sich dabei um ein Denkmal der ganz besonderen Art, der mitten in der Warschauer Altstadt vorzufinden ist. Beinahe an die mittelalterliche, wenn auch rekonstruierte Stadtmauer angelehnt, steht da eine kleine, wenngleich lebensgroße Skulptur, zu deren Füßen häufig Bonbons und andere Süßigkeiten zu finden sind. Sie stammen von den Warschauern, die bis heute der Opfer der im Aufstand kämpfenden und gefallenen Pfadfinderinnen und Pfandfinder gedenken. Die Skulptur bildet eines dieser Opfer ab.
Es ist ein rührendes und herzergreifendes Zeugnis der höchsten Opferbereitschaft der Jüngsten. Für die Menschen der Gegenwart wirft es allerdings Fragen auf, inwieweit Kinder in kriegerische Handlungen miteinbezogen werden sollten.
Danziger Werft und das Drei-Kreuze-Mahnmal
Auch wenn diese Gedenkstätte nichts mit der Kriegsgeschichte Polens zu tun hat, verdient sie allemal eine Erwähnung.
Danzig, mit seiner reichen Geschichte und Symbolik, birgt zahlreiche Orte von besonderer Bedeutung, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Die Danziger Werft ist zweifellos einer dieser Orte. Hier begann bereits neun Jahre vor dem Mauerfall in Berlin eine Bewegung, die die Welt verändern sollte.
In den 1980er Jahren erlangte die Werft weltweite Bekanntheit durch ihre Verbindung zur Solidarność-Gewerkschaftsbewegung unter der Führung des späteren Friedensnobelpreisträgers Lech Wałęsa. Die Arbeiter der Werft organisierten Streiks und forderten politische und wirtschaftliche Veränderungen, die letztendlich zum Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Polen, ferner in anderen Ländern Osteuropas beitrugen. Die heutigen Besucher können die Ereignisse von damals am besten in dem in vielerlei Hinsicht sehenswerten Solidarność-Museum nachvollziehen, das auch als das Europäische Solidarność-Zentrum bekannt ist. Dieses bildet eine Klammer, welche die geschichtsträchtige Vergangenheit des Ortes mit seiner pulsierenden Gegenwart vorbildlich verbindet.
Das vor den Toren der berühmten Werft befindliche Drei-Kreuze-Mahnmal, errichtet zu Ehren der im Aufstand von 1970 gefallenen Werftarbeiter, ist ein weiteres bedeutendes Symbol in der polnischen Hafenstadt. Es erinnert an die Opfer kommunistischer Unterdrückung und ist zur Zeit seiner Errichtung im Jahre 1980 das erste Bauwerk dieser Art in einem kommunistischen Land gewesen.
Das monumentale Mahnmal besteht aus drei 42 Meter hohen Kreuzen, die jeweils 36 Tonnen wiegen. An jedem Kreuz hängen schwere Anker, und Reliefs im unteren Bereich des Denkmals stellen das Leben der Werftarbeiter dar. Zusätzlich sind eine Tafel mit einem Zitat des Psalms 29 und Auszüge aus Gedichten sowie die Namen der Gefallenen zu finden, die das Gedenken an diejenigen, die ihr Leben für Veränderung und Freiheit geopfert haben, bewahren.
Über die Danziger Werft und ihre Symbolträchtigkeit haben wir Sie in diesem Beitrag ausführlich informiert. Die polnischen Gedenkstätten sind nicht nur wichtige Elemente der Landesgeschichte und der Kultur, sondern auch hervorragende Orte zum Entdecken und Lernen. Jeder von ihnen bietet einzigartige Erlebnisse und ermöglicht es den Besuchern, sich mit verschiedenen Aspekten der polnischen und europäischen Geschichte auseinanderzusetzen. Sollte ich Ihr Interesse dafür geweckt haben, so zögern Sie nicht mich und mein Team zu kontaktieren.
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