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Wałęsa (© MEDEF-Flickr)
Wałęsa (© MEDEF-Flickr)

Danzig: Wo die Wende begann

Danzig: Wo die Wende begann – in meinem heutigen Artikel stelle ich Reiseideen zu den Schauplätzen eines großen Wendepunkts der Geschichte vor. Hier nahm das Ende des Ostblocks, der im Fall der Berliner Mauer 1989 gipfelte, seinen Lauf. Der Artikel ist der 3. Teil meiner Serie zu historischen Personen Polens. Hauptperson heute ist Lech Wałęsa.

Es begann im Sommer 1980 mit dem Streik bei der Danziger Leninwerft. Es setzte sich fort mit dem Bündnis von Arbeitern und katholischer Intelligenz und führte zur Gründung der Solidarność, der ersten freien Gewerkschaft des Ostens. Untrennbar verbunden ist die Entwicklung mit einer Person: Lech Wałęsa. Er war Elektriker und wurde zum Streikführer, zum Gesicht der Solidarność, zum Friedensnobelpreisträger und zum polnischen Präsidenten.

Dieses Stück Zeitgeschichte ist für deutsche Busreisende von Interesse. Insbesondere, weil es im engen Zusammenhang mit dem Fall der Berliner Mauer steht.

Deshalb möchte ich Ihnen heute die „Route der Solidarność“ vorstellen: ein attraktives Angebot für zeitgeschichtlich interessierte Busreisende. Auf der Route können Ihre Reisenden an den Originalschauplätzen die Geschichte der Solidarność nacherleben. Auf Schritt und Tritt werden Ihre Reisegäste auch den Spuren von Lech Wałęsa begegnen. Das Schöne: Die Schauplätze der Solidarność-Geschichte und des Aufstiegs von Lech Wałęsa sind im Wesentlichen auf den Danziger Stadtteil Langfuhr (Wrzeszcz) konzentriert.

Wo alles begann – Das Werftarbeiterdenkmal

Der Streik 1980 auf der Leninwerft, mit dem der Fall des Ostblocks begann, hatte eine Vorgeschichte. Nämlich Streiks, die in den Jahren 1956 und 1970 stattfanden.

Immer wieder hatte die Staatsmacht versucht, den maroden Staatshaushalt zu entlasten. Dazu sollten die stark subventionierten Lebensmittelpreise angehoben werden. Das führte sowohl 1956 als auch 1970 zu großen Streikwellen und Aufständen, die vom Regime blutig niedergeschlagen wurden. Offiziell war von 45 Toten die Rede. In Wahrheit waren es mehr als doppelt so viele. Dazu kamen mindestens 1.000 Verletzte.

Im Sommer 1980 kam es zu neuen Streiks. Die streikenden Arbeiter sowie Intellektuellen beriefen sich klar auf die Positionen und den Geist der Streikwelle von 1970. Eine ihrer Forderungen: An die getöteten Werftarbeiter von 1970 sollte ein Werftarbeiterdenkmal erinnern. Anders als in den Vorgängerstreiks konnten sich die Arbeiter 1980 mit ihren Forderungen durchsetzen.

Tor der Leninwerft (© Brosen)
Tor der Leninwerft (© Brosen)

Das Denkmal auf dem Platz vor der Leninwerft am Tor 2 wurde bereits im Dezember 1980 fertiggestellt. Zur Enthüllung versammelten sich 100.000 Menschen und hörten die Uraufführung von „Lacrimosa“, einem Stück von Krzysztof Penderecki, das später Teil des Polnischen Requiems wurde. Das Denkmal besteht aus drei jeweils 42 Meter hohen Kreuzen. Sie sind zu einem Dreieck angeordnet und tragen oben am Querbalken jeweils einen Anker. Unten befinden sich Reliefs mit Szenen aus dem Werftarbeiteralltag. Dazu ist eine Tafel mit den Namen der Opfer von 1970 angebracht.

Warum aber war der Streik 1980 erfolgreicher als die Vorgängerstreiks? Dazu beigetragen haben dürfte, dass die Arbeiter nicht auf die Straße gingen, sondern sich auf der Leninwerft verbarrikadierten. So hätte es schon einer größeren militärischen Operation bedurft, die Streiks mit Gewalt aufzulösen. Dazu sah sich das Regime nicht in der Lage.

Die Leninwerft – Streikort und Schauplatz der Solidarność-Gründung

Anlass für die Streiks vom Sommer 1980 war die Forderung nach der Wiedereinstellung von Anna Walentynowicz. Bald streikten 17.000 Mitarbeiter der Leninwerft. Die Streiks griffen auf die Küstenstädte über, fast alle großen Fabriken und das gesamte oberschlesische Industrierevier. Damit ging der Streik weit über seine ursprüngliche Forderung hinaus.

Das Zentrum der Streiks blieb jedoch die Leninwerft. Dort wurde das überbetriebliche Streikkomitee unter der Führung von Lech Wałęsa beauftragt, mit der Regierung über die 21 Arbeiterforderungen zu verhandeln. Was gibt es hier zu sehen?

Am Solidarność-Platz unweit des Werftarbeiterdenkmals treffen Ihre Busreisenden auf das historische Werfttor Nr. 2. Vor dort geht es weiter zum einstigen Werftdirektionsgebäude, vor dem im Sommer 1980 die Proteste begannen. Anschließend wird der einstige Arbeitsplatz von Lech Wałęsa besichtigt. Auf der Tour darf natürlich auch der einstigen Saal für Arbeitssicherheit und Hygiene (Sala BHP) nicht fehlen. Hier unterschrieb Wałęsa mit dem berühmten großen Kugelschreiber das Danziger Abkommen mit der Regierung.

Das Europäische Solidarność-Zentrum

Zentrum der Aufarbeitung und Information der geschichtlichen Entwicklung um Wałęsa und die Solidarność ist das Europäische Solidarność-Zentrum ECS. Es ist Museum, Zentralarchiv, Multimedia-Bibliothek und Bildungszentrum zugleich. Das ECS besteht aus mehreren Bauten. Dazu gehören auch das oben bereits geschilderte Denkmal für die getöteten Werftarbeiter und das Werfttor Nr. 2. Das ESC bietet aber weit mehr.

Am 31. August 2014 wurde der große zentrale Bau des ESC eröffnet. Er besteht aus rostbraunem Stahl und verfügt über einer Nutzfläche von rund 20.000 Quadratmetern. Neben der gut 3.000 m² einnehmenden ständigen Ausstellung beherbergt er das Archiv, eine Bibliothek, eine Mediathek, das Forschungs- und Bildungszentrum sowie Gruppenarbeitsräume.

Hauptgebäude des ECS (©Borys-Kozielski)
Hauptgebäude des ECS (©Borys-Kozielski)

In sieben Sälen auf zwei Etagen wird der Weg Polens in die Freiheit aufgearbeitet. Beginnend mit der „Geburt der Solidarność“ folgen die Säle „Macht der Machtlosen“, „Solidarność und Hoffnung“ sowie Johannes Paul II. und die „Kultur des friedlichen Wandels“. Die Kriegsrechtszeit beleuchtet der Saal „Im Krieg mit der Gesellschaft“ und den Weg zum guten Ende in den Sälen „Der Weg zur Demokratie“ und „Der Sieg der Freiheit“. Alle Ausstellungsteile des mehrfach ausgezeichneten und mit Preisen bedachten Museums sind eindrucksvoll und nach modernsten Gesichtspunkten multimedial aufgebaut.

Hier erfährt der Reisende auch alles über die Rolle von Lech Wałęsa, der Solidarność-Ikone. Er war ein 1943 geborener einfacher Werft-Elektriker und Kämpfer für die Rechte der Arbeiter, der zum charismatischen Arbeiterführer und Instinktpolitiker wurde und am Ende 1990 bis 1995 zum Präsidenten Polens aufstieg. In dieser Funktion organisierte Lech Wałęsa den politischen Wandel Polens. Es gelang ihm, den Weg von einer realsozialistischen Mangelwirtschaft zu einem demokratisch-marktwirtschaftlichen System auf den Weg zu bringen, ohne dass Polen in politische Grabenkämpfe zerfiel.

Heute befindet sich sein Büro, das zuvor im Grünen Tor in der Rechtstadt untergebracht war, ebenfalls im ECS. Wer weiß, vielleicht begegnen Ihre Reisenden dem einstige Solidarność-Führer ja dort.

Solidarność und die Kirche

Untrennbar mit der Solidarność-Bewegung und auch mit Lech Wałęsa verbunden ist die Danziger Brigittenkirche (kościół Św. Brygidy) an der ul. Profesorska. Die vom Brigittenorden 1386 bis 1387 erbaute und immer wieder erweiterte Kirche brannte 1945 größtenteils ab, die restlichen Teile des Dachstuhls wurden von einem weiteren Großfeuer 1957 zerstört. Ab 1970 wurde die Kirche auf Betreiben des Pfarrers Henryk Jankowski wiederaufgebaut. Doch werden Ihre Reisenden das Gotteshaus nicht ob der kunsthistorischen Bedeutung des Baus besichtigen, sondern wegen ihrer Bedeutung für den Fall des Kommunismus in Polen.

Pfarrer Jankowski war es, der bei den Streikenden auf dem Gelände der Leninwerft die Messe las und ihnen die Kommunion spendete. Die Brigittenkirche war in den Zeiten des Kampfes der Solidarność gegen die Restriktionen des kommunistischen Systems zu „der“ Kirche der ganzen Freiheitsbewegung geworden. Sie diente vor allem in der Zeit des Kriegsrechts nicht nur zur Stärkung durch Gebet und Fürbitte, sondern auch als Schutz- und Versammlungsraum.

Im Jahr 1984 wurde der vom Sicherheitsdienst ermordete Pfarrer Jerzy Popiełuszko in der Brigittenkirche beigesetzt. Skulpturen von Elżbieta und Rafał Pelpliński und das Popiełuszko-Denkmal von Wawrzyniec Samp erinnern an Polens langen, schweren Weg in die Freiheit. Eine weitere Sehenswürdigkeite in der Kirche ist der mit rot-weißen Fahnen geschmückte Altar der Solidarność. Auch der 2010 verstorbene Pfarrer Henryk Jankowski ist in der Brigitten-Kirche beigesetzt.

Die anderen Sehenswürdigkeiten auf der Route von Lech Wałęsa und der Solidarność dienen zuvorderst der Information. In der Brigittenkirche können Ihre Besucher aber sogar das damalige Lebensgefühl nachempfinden, das aus euphorischer Aufbruchstimmung, Halt gebender tiefer Gläubigkeit und einem Zusammenhalt bestand, der die Angst besiegte.

Danzig Brigittenkirche (© Brosen)
Danzig Brigittenkirche (© Brosen)

Die Brigittenkirche wurde auch zum Symbol für die Rolle der Institution Kirche, die wie in vielen schweren Zeiten Polens zuvor zu Stütze und Hort der Bedrängten wurde. Vorteilhaft war in dieser Zeit auch, dass der polnische Papst an der Spitze der Kirche stand.

Sprechen Sie uns bitte an, dann können wir ein für Ihre Busreise-Zielgruppe maßgeschneidertes Besichtigungspaket auf den Spuren von Lech Wałęsa und der Solidarność schnüren.

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