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Zu sehen ist Herr Guldon, Fremdenverkehrsamt Polen

Quo vadis, Tourismus in Polen? Gespräch mit dem Polnischen Fremdenverkehrsamt

Lieber Herr Guldon, es ist nun ungefähr ein Jahr her, dass wir unser letztes Interview geführt haben. Es ist kaum zu glauben, was sich für den Tourismus in Polen seitdem geändert hat. Gern möchte ich mit Ihnen darüber sprechen, wie Sie als Leiter des Polnischen Fremdenverkehrsamtes die aktuelle Situation und die Chancen und Risiken einschätzen.

In den letzten Umfragen ist Polen als Urlaubsziel für die Menschen in Deutschland noch weiter nach vorn gerückt. Das hat bestimmt mit Nähe, Regionalität und geringem Risiko zu tun; sicher auch ein Stückweit mit ökologischer Nachhaltigkeit beim Reisen.

Wie sieht das Polnische Fremdenverkehrsamt die Entwicklung unter den aktuellen Vorzeichen? Was macht Corona mit dem Tourismus in Polen, wie schätzen Sie die Folgen ein? Haben Sie ein paar Zahlen zur Entwicklung des Tourismus in Polen in Covid-19-Zeiten für uns?

Wie in Deutschland und vielen anderen Destinationen sind auch in Polen die Auswirkungen der Corona-Pandemie für die Reisebranche verheerend. Unterkünfte, Gastronomie, Reiseveranstalter und Incoming-Büros mussten dadurch erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen. Deshalb hoffen wir umso mehr darauf, dass mit zunehmenden Impfungen  touristische Reisen wieder möglich sind.

Als positiv sehen wir, dass Polen im vergangenen Jahr bei insgesamt rückläufigen Touristenzahlen seinen Marktanteil in Deutschland sogar erhöhen konnte. Nach den jüngsten Zahlen der Forschungsgruppe Urlaub und Reisen (FUR) hat sich die Gesamtzahl der Auslandsreisen der Deutschen im vergangenen Jahr fast halbiert. Bei den Reisen nach Polen lag der Rückgang dagegen nur bei rund 17,5 Prozent. Dadurch stieg der Marktanteil Polens von 2,7 auf 3,1 Prozent aller Reisen.

Bei Urlaubsreisen über vier Tage liegt Polen inzwischen auf Platz 7 der beliebtesten Auslandsziele, bei kürzeren Reisen sogar auf Platz 4. Das sehe ich als sehr respektables Ergebnis und es zeigt, dass Polen als Reiseziel der Deutschen immer beliebter wird. Hoffnung gibt mir auch ein anderes Ergebnis der repräsentativen FUR-Studie: Fast 15 Prozent der Befragten planen für die nächsten drei Jahre bereits einen Urlaub in Polen oder können sich das zumindest gut vorstellen. Dieser Wert ist gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Viertel gestiegen.

Ohne Frage hat der Tourismus weltweit dramatisch unter der Corona-Pandemie gelitten. Auch in Polen. Welche Regionen haben aus Ihrer Sicht am meisten Probleme bekommen, welche haben sich in der Krise gut geschlagen?

Im Zeichen der Pandemie setzen viele Reisende auf Urlaub mit Abstand. Gefragt sind im Moment kürzere Anreisen, bevorzugt mit dem eigenen Auto. Davon profitieren vor allem die grenznahen Regionen im Westen Polens. Beliebt sind Aufenthalte in der Natur, wo man mit weniger Menschen in Kontakt ist, beispielsweise bei Rad-, Kanu- oder Wandertouren. Hier hat Polen sehr viel zu bieten. Wohnmobil-Reisen oder Hausboot-Touren sind im Moment ebenfalls sehr gefragt. Hausboot-Charterfirmen sagen uns, dass sie im Sommer praktisch ausgebucht sind. Natürlich nutzen viele polnische Gäste diese Angebote, aber zum Teil auch Gäste aus Deutschland.  

Da im Zuge von Corona auch die polnischen Gäste bevorzugt Urlaub im eigenen Land gemacht haben, erlebten wir, dass in klassischen Ferienzentren wie an der Ostseeküste, in den Bergregionen oder in Masuren nach dem Lockdown im vergangenen Sommer die Unterkünfte gut gebucht waren; das wird in diesem Jahr vermutlich nicht anders sein, wenn – wie zu hoffen ist –  die Inzidenzzahlen bei steigenden Temperaturen und mehr Impfungen wieder zurückgehen.

Wir haben etwas Sorge, einige unserer Partner beim hoffentlich nahen Wiederanlaufen des Tourismus nicht mehr zu haben. Werden die Hotels, die Stadtführer, die Busunternehmen und andere wichtige Mitspieler in der Reisedurchführung diese Zeit überstehen?

Die Pandemie bedeutet für viele touristische Akteure existenzielle Probleme. Das betrifft Übernachtungsbetriebe und Gastronomie ebenso wie Gästeführer, Reisebüros oder Busunternehmen. Die polnische Regierung hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Branche zu stützen. Dazu gehören Urlaubsgutscheine in Höhe von rund 110 Euro für jedes Kind, um einen Urlaub im eigenen Land zu ermöglichen. Zudem gibt es ein Wiederaufbauprogramm für den Tourismus, das verschiedene Hilfen für die Reisebranche vorsieht. Damit können Einnahmeausfälle zumindest teilweise kompensiert oder die Liquidität verbessert werden.

Wir hoffen natürlich sehr, dass in der Sommersaison touristische Reisen wieder möglich sind und danach die Pandemie langsam abklingen wird. Dann werden sich hoffentlich viele Betriebe wieder von den Folgen der Krise erholen können. Optimistisch stimmt es mich, dass auch in Zeiten der Pandemie neue Hotels entstehen und auch andere touristische Investitionen fortgeführt wurden.

Zu unseren Angeboten zählen auch Gruppenreisen mit dem Bus. Wir sehen da ein Risiko: Nachdem die Pandemie in den Griff bekommen wurde, werden Menschen vermutlich weniger organisierte Gruppenreisen als Reisen in kleineren Gruppen vorziehen. Sehen Sie das auch so? Wird das auch ein Problem für die polnischen Hotels?

Polen gehörte vor der Pandemie zu den wichtigsten Auslandszielen für deutsche Bustouristen und ich hoffe, dass wir nach der Pandemie auch daran wieder anknüpfen können. Ich kann mir aber vorstellen, dass es in der ersten Zeit noch eine gewisse Zurückhaltung bei organisierten Gruppenreisen geben wird.

Gute Hygiene- und Schutzkonzepte sind auch unabhängig von der aktuellen Covid-Pandemie wichtig. Hier können Busunternehmen, Gruppenreiseveranstalter und Hotels sicher ihren Beitrag leisten, um neues Vertrauen bei den Gästen aufzubauen. Tests sind auch eine Möglichkeit, den Reisenden mehr Sicherheit zu geben. Ich kann mir auch vorstellen, dass es bald schon erste Angebote für Geimpfte geben wird, die dann ohne Bedenken in Gruppen unterwegs sein werden.

Kann man etwas aus der Krise lernen? Gibt es vielleicht sogar neue Trends für den Tourismus in Polen durch diese Krise, die damit vielleicht auch eine Chance sein kann? Gibt es vielleicht sogar Gewinner für die Zeit nach Covid-19?

Es gibt den Trend zu einem aktiven Urlaub mit mehr Abstand in der Natur. Viele Deutsche haben in der Corona-Zeit das Spazierengehen und Wandern für sich entdeckt. Ich kann mir vorstellen, dass das auch nach Covid Bestand haben wird. Hier sehe ich auch Chancen für Polen mit seinen 23 Nationalparks, zahlreichen Landschaftsschutzgebieten und vielen dünn besiedelten Regionen. Diese Ziele sind von Deutschland aus leicht zu erreichen und es gibt dort hervorragende Bedingungen für einen aktiven Urlaub – ob auf dem Wasser, beim Radeln oder Wandern.

Polen hat hier seine Infrastruktur in den vergangenen Jahren sehr gut ausgebaut, neue Radwege oder Anleger sind entstanden und diese Investitionsprogramme werden auch fortgeführt. Deshalb denke ich, dass wir auf diesem Gebiet sehr gute Chancen haben. Corona hat die Menschen in den vergangenen Monaten aber auch psychisch stark mitgenommen. Das Bedürfnis, sich etwas Gutes zu tun und sich verwöhnen zu lassen, wird deshalb sehr ausgeprägt sein. Hier sehe ich auch gute Chancen für die zahlreichen neuen und gut ausgestatteten Kur- und Wellnesseinrichtungen in unserem Land.

Was schätzen Sie, Herr Guldon: Wird sich die Rolle der Touristen aus Deutschland in den kommenden Jahren verändern? Zum Beispiel in Bezug auf die Altersgruppen, die Strukturen der Reisenden und die Reisegründe? Oder nimmt der Innentourismus in Polen so zu, dass der Anteil der Gäste aus Deutschland geringer wird?

Wir hatten bis zum Beginn der Pandemie über viele Jahre ein stetes Wachstum bei der Zahl der deutschen Touristen. Ich hoffe, dass wir daran nach der Pandemie nahtlos anknüpfen können. Die Chancen dafür sind gut, denn Polen bietet sehr viel von dem, was gerade bei deutschen Gästen gefragt ist – und das zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Auch wenn der Anteil der Polen, die Urlaub im eigenen Land machen, gewachsen ist und vermutlich auch die nächsten Jahre hoch bleiben wird, sind ausländische Gäste wichtig für uns. Deutschland stellt seit Jahren mehr als ein Drittel aller ausländischer Gäste. Als Polnisches Fremdenverkehrsamt in Deutschland arbeiten wir daran, dass das auch künftig so bleiben wird. Bei den Gästestrukturen hat sich in den vergangenen Jahren bereits viel verändert; Polen wird bei jüngeren Gästen beliebter, auch viele Familien nutzen die Angebote. Viele Hotels und Ferienanlagen sind erst in den letzten Jahren entstanden und entsprechen heutigen Bedürfnissen der Reisenden. Das schätzen viele Gäste.

Was plant das Polnische Fremdenverkehrsamt in Bezug auf das Marketing, wenn es wieder losgeht?

Auch in der Zeit der Pandemie waren wir nicht untätig und haben unsere Öffentlichkeitsarbeit sowie die Zusammenarbeit mit der Reisebranche sogar intensiviert. Weil viele nicht reisen konnten und Kontakte nur virtuell möglich waren, haben wir sehr viele Aktivitäten ins Internet verlagert. So gab es Social-Media-Kampagnen wie #BeautyfulPoland oder #CityWillWait, die Lust auf Reisen nach dem Ende des Lockdowns machten. Auf der diesjährigen ITB NOW haben wir uns dem Fachpublikum virtuell präsentiert und auch Pressegespräche fanden bereits online statt. Durch diese vielfältigen Aktivitäten ist es uns gelungen, vorhandene Kontakte aufrecht zu erhalten und neue zu knüpfen.

Sobald es die Pandemiesituation zulässt, werden wir mit neuen Marketingaktivitäten starten. Hier ist es uns besonders wichtig, die Reisebranche zu unterstützen. So werden wir Workshops oder Studienreisen nach Polen für Reisebüros und Reiseveranstalter organisieren. Wir haben zudem eine umfangreiches Programm an Pressereisen geplant und hoffen sehr, dass diese im Frühsommer beginnen können.

Und eine letzte Frage habe ich noch: Was ist Ihre Idee vom Tourismus in Polen in zehn Jahren? Wo könnte und sollte dieser dann seine Schwerpunkte haben, welchen Stellenwert könnte er haben?

Es ist nicht ganz einfach, in den heutigen Zeiten zehn Jahre voraus zu denken, denn wir erleben gerade, wie schnell Pläne auch zunichte gemacht werden können. Aber ich bin sehr zuversichtlich, was die weitere touristische Entwicklung in Polen angeht. Schwerpunkte sehe ich beim Natur- und Aktivtourismus, bei Wellness und Gesundheit, bei Kultur- und Städtereisen aber auch auf dem MICE-Markt. Während die Ostseeküste oder Masuren in Deutschland bereits sehr bekannt sind, gibt es viele Regionen, gerade im Osten des Landes, die bislang noch eher als Geheimtipps gehandelt werden. Dazu gehören beispielsweise die Bieszczady, die Lubliner Region oder Podlasie. Hier sehe ich noch große Potenziale für die Zukunft. Denn diese Regionen bergen nicht nur landschaftliche und kulturelle Schätze sondern locken auch mit einer Authentizität und einer großen Herzlichkeit der Bewohner.

Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Guldon. Wir hoffen, im kommenden Jahr erneut sprechen zu können – dann bestimmt wieder unter ganz anderen Vorzeichen.

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